Factoring: Ist Factoring eine Lösung für Ihre Liquidität?

Einleitung
Ihr Auftragsbuch ist voll, Ihre Rechnungen gehen pünktlich raus, aber Ihr Bankkonto bleibt verzweifelt leer. Sie warten darauf, dass Ihre Kunden in 30, 60 oder 90 Tagen zahlen, während Sie Ihre Lieferanten und Gehälter jetzt bezahlen müssen. Das ist das Paradoxon vieler Schweizer KMU: auf dem Papier rentabel zu sein, aber im Alltag an Liquidität zu mangeln.
Factoring bietet eine direkte Lösung für dieses Problem: Sie treten Ihre Rechnungen an ein spezialisiertes Unternehmen ab, das Ihnen sofort 80 bis 90% ihres Betrags auszahlt. Sie müssen nicht mehr auf Kundenzahlungen warten, um Ihre Kosten zu decken. Aber dieser Rechnungsvorschuss hat seinen Preis, und der Mechanismus der Forderungsabtretung beinhaltet wichtige Nuancen.
In diesem Leitfaden analysieren wir die Funktionsweise von Factoring für KMU: exakter Mechanismus, Vertragsarten, Berechnungen der tatsächlichen Kosten mit Schweizer Praxisbeispielen und vor allem, wann diese Lösung im Vergleich zu anderen Optionen wie Kundenanzahlungen oder der Optimierung Ihrer Rechnungsstellung relevant ist. Keine Wunderversprechen, nur Zahlen und Fakten, um in voller Kenntnis der Sachlage zu entscheiden.
📌 Zusammenfassung (TL;DR)
Factoring ermöglicht es, Ihre Rechnungen an ein spezialisiertes Unternehmen abzutreten, das Ihnen sofort 80 bis 90% ihres Betrags auszahlt und so Ihre Liquidität verbessert, ohne auf Zahlungsfristen zu warten. Diese Lösung kostet zwischen 0,5% und 3% pro Rechnung je nach Volumen und Risiko, zuzüglich Verwaltungsgebühren. Factoring eignet sich für KMU mit einem hohen Rechnungsvolumen und zuverlässigen Kunden, bleibt aber teurer als ein klassischer Bankkredit. Bevor Sie darauf zurückgreifen, erkunden Sie zunächst die kostengünstigeren Alternativen: Kundenanzahlungen, Optimierung der Mahnungen und Verkürzung der Zahlungsfristen.
📚 Inhaltsverzeichnis
- Was ist Factoring?
- Wie funktioniert Factoring konkret?
- Die drei Arten von Factoring
- Was kostet Factoring tatsächlich?
- Praxisbeispiel: Kostenberechnung für ein Schweizer KMU
- Wann ist Factoring sinnvoll?
- Die Grenzen und Nachteile von Factoring
- Factoring vs. andere Liquiditätslösungen
- Wie wählt man ein Factoringunternehmen in der Schweiz?
- Ist Factoring das Richtige für Sie?
Was ist Factoring?
Factoring ist eine Finanzierungslösung, die es einem Unternehmen ermöglicht, seine Kundenrechnungen an einen spezialisierten Dritten abzutreten: den Factor (Factoringunternehmen). Im Gegenzug zahlt der Factor sofort 80 bis 90% des Rechnungsbetrags aus, ohne auf die Zahlungsfrist zu warten.
Konkret verkaufen Sie Ihre Kundenforderungen, um sofortige Liquidität zu erhalten. Der Factor kümmert sich anschliessend um das Inkasso bei Ihren Kunden.
Im Gegensatz zu einem klassischen Bankkredit ist Factoring keine Schuld: Sie monetarisieren einfach Ihre Rechnungen im Voraus. Keine persönliche Garantie und keine Verschuldung in der Bilanz.
Wie funktioniert Factoring konkret?
Der KMU-Factoring-Prozess folgt fünf einfachen Schritten:
Rechnungsstellung: Sie erstellen und versenden Ihre Kundenrechnung wie gewohnt
Forderungsabtretung: Sie übermitteln die Rechnung an den Factor, der sie kauft
Sofortiger Vorschuss: Der Factor zahlt Ihnen innerhalb von 24 bis 48 Stunden 80 bis 90% des Betrags aus
Inkasso: Der Factor übernimmt das Inkasso der Zahlung bei Ihrem Kunden
Schlusszahlung: Sobald der Kunde bezahlt hat, erhalten Sie den Restbetrag, abzüglich der Provisionen
Die Auszahlung der Mittel dauert in der Regel 1 bis 2 Werktage nach Validierung des Dossiers.
Die drei Arten von Factoring
Der Schweizer Markt bietet drei Factoring-Varianten an, jede mit ihren Besonderheiten in Bezug auf Risiko, Kosten und Vertraulichkeit. Die Wahl hängt von Ihrer finanziellen Situation, der Qualität Ihres Kundenportfolios und Ihren geschäftlichen Prioritäten ab.
Hier sind die drei Hauptoptionen, die für Schweizer Unternehmen verfügbar sind.
Klassisches Factoring (mit Regress)
Bei dieser Variante bleiben Sie im Falle eines Zahlungsausfalls verantwortlich. Wenn Ihr Kunde nicht zahlt, kann der Factor von Ihnen die Rückzahlung des ausgezahlten Vorschusses verlangen.
Dies ist die kostengünstigste Lösung, da der Factor das Ausfallrisiko auf Ihr Unternehmen überträgt. Die Provisionen sind in der Regel 0,5 bis 1% niedriger als beim Factoring ohne Regress.
Diese Option eignet sich für Unternehmen mit einem zuverlässigen Kundenportfolio und guter Kenntnis ihrer Zahlungsfähigkeit.
Factoring ohne Regress
Hier übernimmt der Factor das gesamte Ausfallrisiko. Wenn Ihr Kunde nicht zahlt, behalten Sie den erhaltenen Vorschuss ohne Rückzahlungsverpflichtung.
Dieser vollständige Schutz vor Zahlungsausfällen hat seinen Preis: Die Provisionen sind höher, in der Regel 1 bis 2% zusätzlich. Der Factor prüft jeden Kunden gründlich, bevor er die Forderungsabtretung akzeptiert.
Ideale Lösung, um Ihre Liquidität gegenüber neuen oder risikobehafteten Kunden abzusichern, ohne Ihr Wachstum zu gefährden.
Stilles Factoring
Ihre Kunden wissen nicht, dass Sie ihre Rechnungen abgetreten haben. Sie behalten die Geschäftsbeziehung und verwalten selbst die Mahnungen und das Inkasso.
Der Factor bleibt im Hintergrund und greift nur für die Finanzierung ein. Sie erhalten die Zahlungen Ihrer Kunden und leiten sie dann gemäss einem vereinbarten Zahlungsplan an den Factor weiter.
Diese Diskretion bewahrt Ihr professionelles Image, bedeutet aber mehr administrativen Aufwand Ihrerseits. Die Gebühren sind oft etwas höher als bei den anderen Varianten.
Was kostet Factoring tatsächlich?
Factoring kombiniert drei Arten von Gebühren:
Finanzierungsprovision: Zinssatz auf den Vorschuss, in der Regel 0,5 bis 2% pro Monat (6 bis 24% jährlich)
Verwaltungsprovision: 1 bis 3% des Gesamtbetrags der abgetretenen Rechnungen
Nebenkosten: Dossiergebühren, Kontoführungsgebühren, Kundenkreditanalyse
Konkretes Beispiel: Für eine Rechnung von 10'000 CHF mit 60 Tagen Zahlungsfrist, Vorschuss von 85% = 8'500 CHF. Finanzierungsprovision 1,5% × 2 Monate = 255 CHF + Verwaltungsprovision 2% = 200 CHF = Gesamtkosten 455 CHF (4,55% des Betrags).
Praxisbeispiel: Kostenberechnung für ein Schweizer KMU
Situation: KMU mit 50'000 CHF monatlichen Rechnungen und durchschnittlicher Zahlungsfrist von 45 Tagen.
Detaillierte Berechnung:
Vorschuss von 85% = 42'500 CHF sofort verfügbar
Finanzierungsprovision 1,5% auf 1,5 Monate = 956 CHF
Verwaltungsprovision 2% = 1'000 CHF
Monatliche Gesamtkosten: 1'956 CHF
Das entspricht 3,9% des Umsatzes für eine sofortige Liquidität von 42'500 CHF. Im Vergleich dazu kostet ein Kontokorrentkredit in der Regel 8 bis 12% jährlich, aber mit persönlichen Garantien und begrenztem Rahmen.
Wann ist Factoring sinnvoll?
Der Rechnungsvorschuss über Factoring wird in mehreren Situationen zu einer interessanten Lösung:
Schnelles Wachstum: Bedarf an sofortiger Liquidität zur Finanzierung neuer Aufträge oder Einstellungen
Lange Zahlungsfristen: Kunden, die in 60, 90 Tagen oder mehr zahlen
Starke Saisonalität: Bedarf zur Finanzierung von Lagerbeständen oder Produktion in der Hochsaison
Bankablehnung: Schwierigkeiten, einen traditionellen Kredit zu erhalten
Um Ihre Liquidität im Vorfeld zu optimieren, konsultieren Sie unseren Leitfaden zum Liquiditätsmanagement für KMU.
Die Grenzen und Nachteile von Factoring
Seien wir transparent über die negativen Aspekte:
Hohe Kosten: 3 bis 5% des Umsatzes, deutlich mehr als ein klassischer Bankkredit
Lange Bindung: Verträge oft über mindestens 12 bis 24 Monate mit Ausstiegsstrafen
Mindestvolumen: Die meisten Factors verlangen 100'000 bis 200'000 CHF Jahresumsatz
Kundenauswahl: Der Factor kann bestimmte Rechnungen ablehnen, die als zu riskant eingestuft werden
Auswirkungen auf Beziehungen: Beim nicht-stillen Factoring wissen Ihre Kunden, dass ein Dritter das Inkasso verwaltet
Diese Lösung ist in der Regel nicht für Freelancer oder sehr kleine Strukturen geeignet.
Factoring vs. andere Liquiditätslösungen
Factoring ist nur eine Option unter mehreren zur Verbesserung Ihrer Liquidität. Bevor Sie sich verpflichten, vergleichen Sie es mit den in der Schweiz verfügbaren Alternativen.
Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile je nach Ihrer Situation, Ihrer Branche und Ihrem Finanzierungsbedarf. Hier sind die wichtigsten zu berücksichtigenden Alternativen.
Factoring vs. Bankkredit
Factoring: Schnelle Auszahlung (48h), keine persönliche Garantie, aber hohe Kosten (3-5% des Umsatzes). Geeignet für dringende Situationen und Unternehmen ohne solide Bankhistorie.
Bankkredit: Günstiger (2-6% jährlich), aber langwieriges Verfahren (mehrere Wochen), geforderte Garantien (Hypothek, persönliche Bürgschaft) und gründliche Finanzanalyse.
Bevorzugen Sie den Bankkredit für strukturelle mittelfristige Bedürfnisse, Factoring für punktuelle Bedürfnisse nach sofortiger Liquidität.
Factoring vs. Kundenanzahlungen
Anzahlungen zu verlangen bleibt die günstigste und einfachste Lösung zur Absicherung Ihrer Liquidität. Kein Vermittler, keine Gebühren, nur eine geschäftliche Verhandlung.
Erfahren Sie, wie Sie Anzahlungen effektiv in Rechnung stellen, um Ihren Cashflow von Beginn des Projekts an zu schützen.
Factoring kommt ins Spiel, wenn Anzahlungen nicht ausreichen oder von Ihren Kunden abgelehnt werden, insbesondere bei öffentlichen Aufträgen oder mit Grossunternehmen.
Factoring vs. Optimierung des Inkassos
Die Verbesserung Ihrer Rechnungs- und Mahnprozesse kann Ihre Zahlungsfristen um 15 bis 30 Tage verkürzen, ohne externe Kosten. Automatische Mahnungen, klare Zahlungsbedingungen und rigorose Nachverfolgung machen oft den Unterschied.
Konsultieren Sie unsere Leitfäden zur Verbesserung der Liquidität durch Rechnungsstellung und zum Inkasso unbezahlter Rechnungen.
Factoring wird zu einer ergänzenden Lösung, nicht zu einem Ersatz für gutes internes Management.
Wie wählt man ein Factoringunternehmen in der Schweiz?
Bevor Sie unterschreiben, bewerten Sie mehrere wesentliche Kriterien:
Mindestvolumen: Prüfen Sie, ob Ihr Umsatz den Anforderungen entspricht
Branche: Einige Factors spezialisieren sich auf bestimmte Bereiche (Bau, Dienstleistungen, Industrie)
Tariftransparenz: Fordern Sie eine detaillierte Aufstellung aller Gebühren
Vertragsdauer: Bevorzugen Sie flexible Verträge mit Ausstiegsmöglichkeit
Kundenservice: Testen Sie die Reaktionsfähigkeit, bevor Sie sich verpflichten
Reputation: Konsultieren Sie die Bewertungen anderer KMU
Vergleichen Sie mindestens drei Angebote und lesen Sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sorgfältig, insbesondere die Kündigungsklauseln.
Ist Factoring das Richtige für Sie?
Stellen Sie sich diese Fragen, um die Relevanz von KMU-Factoring zu bewerten:
Haben Sie zuverlässige Geschäftskunden (keine Privatpersonen)?
Übersteigt Ihr Rechnungsvolumen 100'000 CHF pro Jahr?
Überschreiten Ihre Zahlungsfristen regelmässig 45 Tage?
Benötigen Sie sofortige Liquidität zur Finanzierung Ihres Wachstums?
Können Sie Kosten von 2 bis 4% auf Ihren Umsatz tragen?
Factoring kann ein punktuelles Instrument sein, um eine Hürde zu überwinden, oder je nach Ihrer Tätigkeit eine strukturelle Lösung. Im Vorfeld hilft Ihnen BePaid, Ihre Rechnungsstellung und Zahlungsverfolgung zu optimieren, wodurch möglicherweise der Bedarf an Factoring reduziert wird.
Factoring stellt eine effektive Liquiditätslösung für Schweizer KMU dar, die mit langen Zahlungsfristen konfrontiert sind. Durch die Abtretung Ihrer Forderungen an ein Factoringunternehmen erhalten Sie sofort 80 bis 90% des Betrags Ihrer Rechnungen, was Ihre Liquidität ohne Bankverschuldung verbessert.
Diese Lösung hat jedoch ihren Preis: zwischen 1% und 4% des abgetretenen Umsatzes, zuzüglich Verwaltungsgebühren. Sie eignet sich vor allem für Unternehmen mit schnellem Wachstum oder für solche, die mit Kunden mit verlängerten Zahlungsfristen konfrontiert sind. Für viele KMU können andere Alternativen wie die Forderung von Anzahlungen oder die Optimierung des Inkassos rentabler sein.
Bevor Sie sich verpflichten, vergleichen Sie die tatsächlichen Kosten und bewerten Sie Ihren Liquiditätsbedarf. Um Ihr Zahlungsmanagement ohne Factoringgebühren zu verbessern, entdecken Sie unsere 7 Rechnungsstrategien oder testen Sie BePaid kostenlos, um Ihre Mahnungen zu automatisieren und Ihre Zahlungseingänge zu beschleunigen.


